Kaum geht die Sommerpause zu Ende, kommt mit der Strompreisreform schon wieder einiges an Arbeit auf den Bundestag zu. Neben dem geplanten Heizungsgesetz erhitzt gegen Ende des Jahres 2023 nun ein weiterer Gesetzesentwurf die Gemüter: die geplante Reform der Strompreis-Ermittlung. Es geht um die künftige Festlegung der Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur.
Ziel des neuen Gesetzes soll sein, die Netzentgelte in denjenigen Regionen zu verringern, in denen viel Windkraft produziert wird. Denn die sind zu hoch. Teurer soll es hingegen für die Bundesländer werden, die in Relation zu ihrer Fläche weniger zur Windkraft beisteuern, also beispielsweise die südlich gelegenen Länder in Deutschland wie Bayern oder Baden-Württemberg, die aber dennoch von niedrigeren Netzentgelten profitieren.
Das finden viele nicht fair. Die Verteilung der Kosten für die Produktion des grünen Stromes soll deshalb möglichst fairer gestaltet werden, also der Ausbau der erneuerbaren Energien soll möglichst gerecht auf alle Schultern verteilt werden. Der aktuelle Mechanismus reiche dafür nicht aus, meint Klaus Müller, der Leiter der Bundesnetzagentur, und konstatiert gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung:
„Ich treffe keinen Energieminister in den Bundesländern, der dieses historisch gewachsene System noch gutheißt.“
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wiederum zeigte sich wenig überraschend wenig begeistert von dem Vorschlag. Wie es so seine Art ist, polemisierte er auch gleich munter drauf los und sprach gegenüber der Süddeutschen Zeitung zusammengefasst von einer Axt, die an den Industriestandort Deutschland gelegt würde und von der existenziellen Gefährdung Süddeutschland als industrielles Herz der Republik. Darunter geht es im Wahlkampf scheinbar nicht.
Der CSU-Chef machte auch deutlich, dass Bayern durchaus zum Ausbau der Erneuerbaren beitrage, nur eben nicht in Form von Windenergie. Dennoch stehen in Bayern deutlich weniger Windkraftanlagen pro km2 als in norddeutschen Bundesländern. Ja, in Süddeutschland weht statistisch gesehen im Jahresmittel weniger Wind als in norddeutschen Regionen. Aber eben auch nicht so wenig, dass man sich in Bayern nicht besonders windig gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien wie Windkraft wehren könnte. Da sind die Bayern Spitze!
Norddeutschland begrüßt Vorschlag zur Strompreisreform
In Norddeutschland hingegen begrüßt man den Vorschlag zur Strompreisreform. Denn im Norden wird nicht nur in großem Maßstab viel günstiger Windstrom produziert. Trotzdem dürfen die Verbraucher dort zur Belohnung auch noch vergleichsweise viel für ihren Strom bezahlen. Aktuell werden die Kosten des notwendigen Netzausbaus, von dem übrigens Bayern mit seinen niedrigeren Netzentgelten kräftig profitiert, nämlich immer dort getragen, wo sie auch anfallen. Ein Schelm, wer darin das bayerische Solidaritätsprinzip erkennt.
„Der aktuelle Verteilungsmechanismus für die Netzentgelte stammt aus einer Zeit vor dem großflächigen Einsatz erneuerbarer Energien und muss dringend überholt werden. Das finden auch der Leiter der Bundesnetzagentur Klaus Müller und viele Energieminister der Länder.“
Jeder Netzbetreiber gibt die ihm entstehenden Kosten an die Kunden in seinem Netzgebiet weiter. In den dünn besiedelten Regionen des Nordens und auch Mitteldeutschlands und Brandenburgs führt das dazu, dass viele Windräder von wenigen Menschen bezahlt werden müssen. Verbrauchen tun den Strom am Ende dann aber häufig die süddeutschen Industriezentren.
Entsprechend wächst der Unmut beim Bau neuer Windräder im Norden und in der Mitte Deutschlands, um die wenig solidarischen Bayern günstig mit sauberem Strom versorgen zu können. Wasch mich bitte, aber mach mich nicht nass, ließe sich das CSU Wahlkampfmotto in markigen Söder-Worten zusammenfassen. Trotz allem braucht es jedoch den Ausbau der Windenergie für den Umbau der deutschen Stromversorgung dringend.
Auswirkung der Netzentgelte auf den Strompreis
Netzentgelte werden zum Beispiel durch den Stromanbieter an den Netzbetreiber gezahlt, um den Betrieb und die Instandhaltung des Stromnetzes zu finanzieren. Der Anbieter wiederum legt die Kosten auf seine Kunden um. Beim Strompreis machen die Netzentgelte nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) inzwischen stattliche 25 Prozent am Preis pro Kilowattstunde (kWh) aus.
Das spüren die Menschen im Norden und in der Mitte Deutschlands nachhaltig. Laut dem deutschen Strompreis-Atlas, veröffentlicht zum Beispiel im Focus, zahlen die Verbraucher in Brandenburg und Thüringen heute Spitzenpreise für ihren Strom. Auch in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und – Achtung: Überraschung! – im ebenfalls süddeutschen und industriellen Baden-Württemberg ist der Strom vergleichsweise teuer.
Vergleichsweise günstig gibt’s die Elektrizität dagegen im Saarland, in Sachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Summa summarum wollen alle also günstigen grünen Strom, aber nur wenige sollen die Lasten dafür schultern. Würden die süddeutschen Netzbetreiber aus Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland deshalb künftig höhere Kosten in Form gestiegener Netzentgelte zahlen müssen, würden die Strompreise dort steigen.
Strompreisreform: Nur Politik oder doch wichtig?
Bei der Diskussion um die Strompreisreform argumentieren beide Seiten mit der Frage, wie Deutschland die Kosten für die Energiewende möglichst fair auf alle Schultern verteilt. Sollen alle gleich viel zahlen, weil wir zusammen im selben Boot sitzen? Oder sollen diejenigen sogar weniger belastet werden, die die größere Last der Energiewende schultern?
Keine Frage: In der Diskussion steckt auch viel aktueller Wahlkampf drin. In Bayern wird im September 2023 ein neuer Landtag gewählt. Landesvater Söder stellt sich wieder zur Wahl und muss die Trommel rühren, am besten bayerisch deftig. Auf Bundesebene versucht die Koalition wiederum seit langem, die Akzeptanz für die Erneuerbaren zu erhöhen, um ihren Ausbau weiter voranzutreiben.
„Die Energiewende braucht dringend eine Reform der Netzentgelte. Wie genau sie aussehen soll, muss jedoch noch diskutiert werden.“
Lässt man die Politik mal außen vor, bleibt die Ausgangsüberlegung trotzdem wichtig und richtig. Die Energiewende wird teuer, die Krisen der vergangenen Jahre haben die deutsche Industrie und Wirtschaft massiv geschwächt. Um Lasten fair und gerecht zu verteilen und gleichzeitig die Industrie zu stützen, braucht es möglichst klare Regeln und Mechanismen.
Ohne eine Strompreisreform 2023 oder vielleicht auch 2024 wird es nicht gehen. Nur so können wir sicher sein, dass der geplante energetische Umbau Deutschlands zum Wohle des Klimaschutzes funktioniert. Und zwar ohne die Wirtschaft zu ruinieren und die Spaltung der Gesellschaft noch weiter zu befördern, wie es Markus Söder in dieser Frage leider tut – nur freilich nicht in seinem eigenen Bundesland.
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